Auf Einladung des NABU Bremervörde-Zeven hat die aus Irland stammende, jetzt auf Sylt lebende Umweltwissenschaftlerin und Hochschuldozentin Dr. Karen Wiltshire einen Bildervortrag über die Folgen des Klimawandels für die Artenvielfalt der Nordmeere und ihrer Küsten gehalten. Dr. Wiltshire ist stellvertretende Direktorin des Alfred-Wegener-Instituts (AWI) in Bremerhaven, Direktorin der AWI-Außenstellen auf Helgoland und Sylt, und sie unterrichtet als Küsten- und Klimaforscherin „Schelfmeerökologie“ an der Universität Kiel.
Schon ihr Einstieg ins Thema war extrem spannend: Im Verlauf der Erdgeschichte sind immer wieder Arten ausgestorben, aus den verschiedensten Gründen. Aber noch nie sind in kürzester Zeit so viele Tiere und Pflanzen endgültig vom Erdball verschwunden wie seit der Zeit, da Homo Sapiens mit seinen zerstörerischen Aktivitäten die Geschichte bestimmt. Der Schwund der Arten hat viele Ursachen, die in dieser Reihenfolge auf den Menschen zurückzuführen sind: allen voran der Verlust von Lebensraum, dann die Veränderung der Landnutzung, dann Jagd und Wilderei, dann folgt der Klimawandel, und am Ende der Liste stehen die zahlreichen Umweltgifte sowie invasive Arten. Heutzutage sind eine Million Pflanzen- und Tierarten vom Aussterben bedroht, viele von ihnen innerhalb weniger Jahrzehnte.
Bereits während ihres Vortrages kamen zahlreiche Fragen von den Zuschauern: Ist es eigentlich schlimm, wenn einige Arten aussterben? Ist es wirklich erwiesen, dass der Klimawandel menschengemacht ist? Wird unser Planet, und werden wir selber als Menschen unsere Umweltsünden überleben?
Prof. Wiltshire hatte auf alle Fragen fundierte, aufrüttelnde Antworten. „Wir müssen noch viel mehr auf die Wissenschaft hören, wenn wir als Menschheit die Zusammenhänge zwischen der Natur, dem Klima und unserem Handeln begreifen und Lösungen finden wollen“, warb Frau Wiltshire eindringlich für eine faktenbasierte Herangehensweise. Nicht zufällig sei bald nach Entstehen von „Fridays for Future“ auch die Bewegung „Scientists for Future“ entstanden.
Karen Wiltshire erläuterte, dass durch die überdurchschnittlich steigende Temperatur in der Nordsee schon heute einige Fischarten in kühlere Gewässer in Richtung Arktis fliehen. Für die kleine Küstenfischerei ist das genauso dramatisch wie für komplexe ökologische Kreisläufe innerhalb unserer Meere. Auch nehmen die Algenblüten weiter zu. Gleichzeitig gehen existenzielle Lebensräume an den Küsten verloren.
Die zahllosen Windkraftanlagen in der Nordsee mit ihren Stromleitungen an die Küsten seien ebenfalls ein massiver Eingriff in die Ökosysteme unter Wasser, zumal sich die Frage stelle, was es mit der Nordsee mache, wenn diese Anlagen irgendwann alle wieder zurückgebaut werden müssen. Aber Prof. Wiltshire stellte es zumindest als Denkanstoß in den Raum, ob gekappte Turbinen und angelagerte Felsbrocken nicht auch einen neuen Lebensraum für Hummer bieten könnten. Zunehmend seien WissenschaftlerInnen mit der Forschung dazu beschäftigt, wie man die Eingriffe des Menschen in die Meeres-Ökosysteme durch Wiederansiedelung heimischer, aber verschwundener Arten zumindest etwas abmildern kann.
Die Zuhörer hatten so viele Fragen, dass Frau Wiltshire sie nicht alle beantworten konnte. Das zeigt deutlich, dass der dramatische Artenschwund durch den Klimawandel viele Menschen sehr bewegt und sie Antworten suchen. Prof. Wiltshire, die ihre Vorträge weltweit hält, verabschiedete sich mit der Zusage, gerne wieder eine Einladung des NABU anzunehmen.
Foto: "Prof. Karen Wiltshire referiert über den Artenschwund." - Renate Warren